Leipziger Allerlei
Wer kennt es nicht, das Leipziger Allerlei!? Möhren, Erbsen und Spargel – gerne in der TK-Variante. So zumindest findet man es auf den meisten Speisekarten. Bei mir aber nicht.
Bevor die Spargelzeit am Johannistag (24. Juni) schon wieder vorbei ist, kommt hier noch ein Rezept mit der vermutlich edelsten Verwendung für das Edelgemüse. Und dafür müssen wir erstmal mit dem größten Irrtum aufräumen: Leipziger Allerlei ist keine Gemüsebeilage, die zu Hausmannskost wie Frikadellen oder einem Schweineschnitzel gereicht wird. Dafür sind die feinen Zutaten nämlich viel zu schade. Sie sollten der Star auf dem Teller sein und nicht ein tristes Tiefkühl- oder Dosen-Dasein fristen, um dann achtlos nebst Kartoffeln und dicker Sauce verspeist zu werden.
Allerlei Interessantes
Die Geschichte des Leipziger Allerlei ist schnell zusammengefasst:
Der Legende nach ist Leipziger Allerlei eine Erfindung, um die damals reiche Stadt Leipzig nach den napoleonischen Kriegen (1803–1815) vor Bettlern und Steuereintreibern zu schützen. Der Stadtschreiber Malthus Hempel soll den Stadtvätern vorgeschlagen haben: „Verstecken wir den Speck und bringen nur noch Gemüse auf den Tisch, sonntags vielleicht ein Stückchen Mettwurst oder ein Krebslein aus der Pleiße dazu. Und wer kommt und etwas will, der bekommt statt Fleisch ein Schälchen Gemüsebrühe und all die Bettler und Steuereintreiber werden sich nach Halle oder Dresden orientieren.“
Leipziger Allerlei – Wikipedia
Also: Auf das Gemüse kommt es an! Und ein „Krebslein“ ist gestattet. Schade, dass es diese in den Gewässern hierzulande wohl kaum noch gibt. Wier auch immer … frisch, saisonal, nicht aus dem Tiefkühlregal sollten die Zutaten sein. Bei den Flusskrebsen und den Morcheln muss man aufgrund der regionalen Verfügbarkeit meist eine Ausnahme machen. Aber solange diese dann von bester Qualität sind, spricht nichts gegen getrocknete oder gefrorene Morcheln und Flusskrebsen aus dem Vakuum. Wobei man die Flusskrebse auch gut gegen einen Hummerschwanz tauschen könnte.
Ansonsten aber Finger weg von den Konservendosen und TK-Mischungen!
Allerlei Leckeres
Neben diversen Gemüsen sind besagte Morcheln und Flusskrebse sowie ein feiner Hummer- oder Krebsfond die Hauptzutaten im bunten Allerlei. Die Auswahl an Gemüse ist dabei um einiges größer als man denkt – oder einen die Convenience-Anbieter glauben lassen. Spargel, frische junge Erbsen, Möhren, zumeist auch Blumenkohl und/oder Kohlrabi sind die übliche Gemüse-Basis. Ich ergänze noch Zuckerschoten und lassen den häufig verwendeten Kohlrabi weg. Im Frühjahr bekommt man zudem mit etwas Glück frische Morcheln, die für dieses Gericht unverzichtbar sind. Getrocknete sind dagegen ganzjährig verfügbar; in guten Lebensmittelgeschäften gibt es auch tiefgefrorene Morcheln, die sich ebenfalls eignen (ich bevorzuge aber die getrockneten). Leider sind Morcheln kein billiges Vergnügen, aber für ein gutes Leipziger Allerlei einfach unverzichtbar. Mit den Flusskrebsen ist es so eine Sache. Frisch habe ich die tatsächlich im hiesigen Fischhandel noch nie gesehen. Mit etwas Glück bekommt man TK-Ware (die sicherlich akzeptabel wäre), meist muss man allerdings auf vakuumierte Flusskrebsschwänze zurückgreifen, die es dafür aber auch in zahlreichen Supermärkten gibt. Grundzutat für den beliebten Flusskrebs-Cocktail, qualitativ aber mit frischer Ware nicht zu vergleichen. Hier muss man also Kompromisse machen (oder auf den luxuriösen Hummer ausweichen). Ich habe gleichwohl damit ein gutes Ergebnis erzielt. Oder wir man sagt: „Für die Woche geht’s.“. Immerhin habe ich in diesem Jahr erstmals frische Morcheln bekommen, und das war dann der Anlass für dieses Rezept.
Mein Rezept orientiert sich grob an einem Klassiker aus dem grandiosen Buch „Deutsche Küche“ aus dem Teubner Verlag (#Werbung). Ich habe es aber an diversen Stellen etwas verkürzt, weil gerade die Zubereitung der Sauce recht komplex ist. Meine Variante geht schneller und ist trotzdem lecker und anspruchsvoll.
Allerlei Zutaten (für ca. 2 Portionen als Hauptgericht)
- ca. 10 Morcheln (am besten frisch, ansonsten getrocknet oder TK)
- 6 Stangen frischer Spargel (weiß) – am liebsten schlanke Stangen oder Spargelspitzen (dann natürlich mehr)
- 2 Möhren, mittelgroß (oder eine entsprechende Menge Mini-Karotten mit Grün)
- ca. 150 g junge Erbsen (frisch oder TK)
- ca. 150 g Blumenkohl (oder Romanesco oder beides)
- ca. 150 g Zuckerschoten
- mind. 10 Flusskrebsschwänze (bei kleinen Exemplaren entsprechend mehr, alternativ auch Hummer oder Languste)
- einige Stängel frische Petersilie und frischer Kerbel
- mind. 200 bis 300 ml Geflügelfond (Glas oder selbstgemacht)
- ca. 400 ml Hummer- oder Krustentierfond (Glas oder Konzentrat, z. B. Lacroix Krustentierpaste)
- 100 g Butter plus einige EL extra
- 1 Knoblauchzehe
- 1 Schalotte
- 1 EL Tomatenmark
- 1/2 Stange Staudensellerie
- 1 kleines Stück Lauch
- 2 EL weißer Portwein
- 2 EL Weißwein, trocken
- 1 TL Noilly Prat (trockener Wermut)
- 1 Becher Sahne
- Chiliflocken oder Cayennepfeffer
- Muskatnuss
- Salz und Pfeffer
Die Liste ist leider etwas länger, weil vor allem die Grundsauce aus vielen Komponenten besteht. Aber es lohnt sich. Die Mengen der Zutaten sind nur eine grobe Orientierung, ich habe nicht genau gewogen und gemessen. Sie können nach eigenen Vorlieben angepasst werden. Bedenkt, dass das Leipziger Allerlei am Ende ein Hauptgericht darstellt und bemesst die Gesamtmenge so, dass alle satt werden. Die Sauce ist so lecker, dass man davon ruhig mehr haben kann.
Allerlei Arbeit
1 ⏐ Frische Morcheln mit einem Pinsel gut putzen, in den Rillen versteckt sich jede Menge Sand und ggf. Getier. Dann in kaltem Wasser abspülen und gut trocknen. Getrocknete (nach Packungsanleitung) in Wasser einweichen und dann gut ausdrücken. Gefrorene nach Anleitung vorsichtig komplett auftauen und dann gut trocknen.
2 ⏐Jetzt geht es an die Vorbereitung der Gemüse: Spargel schälen und schräg in 3 bis 4 cm lange Stücke schneiden. Möhren schälen und in mundgerechte Stücke schneiden (sehr schön machen sich auch Mini-Karotten, die ungeschält inkl. des Grüns am Ansatz verarbeitet werden). Blumenkohl oder Romanesco waschen und in kleine Röschen teilen. Die Zuckerschoten eventuell von Fäden und Stielansätzen befreien, große Exemplare schräg mittig halbieren. Alle Gemüse werden jetzt nacheinander in kochendem Salzwasser kurz blanchiert. Spargel, Möhren und Blumenkohl ca. 3 Minuten, bei den weiteren reicht eine gute Minute. Alles in Eiswasser abkühlen, damit Farbe und Biss optimal erhalten bleiben.
3 ⏐ Der aufwändigste Teil folgt jetzt: Für den Saucenansatz eine Tomate in Würfel schneiden. Sellerie. Lauch und Schalotte ebenfalls fein würfeln. Nun die Butter mit der Hälfte des Krustentierfonds aufkochen und dann mit dem Pürierstab aufmixen. Knoblauchzehe und etwas Salz dazu geben, leise mind. 5 min köcheln lassen. Jetzt kommen die vorbereiteten Gemüsewürfel dazu (Tomate, Lauch, Sellerie, Schalotte) und köcheln weiter leise für mind. 10 Minuten. Eventuell zwischendurch schon Krustentierfond auffüllen. Nun wird die Sauce mit Weißwein, Noilly Prat und Portwein verfeinert. Die o. a. Mengen sind Orientierungswerte und können angepasst werden je nach Geschmack. Der restliche Krustentierfond kommt danach gemeinsam mit dem Tomatenmark ebenfalls in den Topf. Im Anschluss reduziert die Sauce so lange, bis etwa 2/3 übrig bleiben. Erst dann kommt die Sahne dazu und köchelt nochmals ganz sanft für etwa 10 Minuten. Beinahe geschafft: Alles durch ein feines Sieb passieren und mit dem Pürierstab schaumig aufmixen. Abschmecken mit Salz, Pfeffer und Cayennepfeffer/Chili. Warm halten und direkt vorm Servieren nochmals schaumig mixen.
4 ⏐Kommen wir zum Finale: Gemüsefond mit einem EL Butter erhitzen. Darin die blanchierten Gemüse wieder erwärmen. Eventuell müsst ihr die Menge des Geflügelfonds soweit erhöhen, dass alle Gemüse gut warm werden können. Erst zum Schluss die Morcheln zugeben und ebenfalls warm werden lassen. Das Gemüse wird nun mit wenig Salz, etwas Muskatnuss und eventuell frisch gemahlenem schwarzen Pfeffer gewürzt. Die Krebse in etwas Butter in der Pfanne kurz warm schwenken (nicht braten!). Gemüse in tiefen Tellern anrichten, Petersilie und Kerbelblättchen drüber streuen und die Flusskrebsschwänze darauf anrichten. Zum Schluss wird alles mit der warmen, schaumigen Sauce überzogen und sofort serviert. Ein Traum!