Gillardeau-Austern mit Koriander-Vinaigrette
Eigentlich war ich nie ein großer Fan von Austern. Aber die Reisen der letzten Jahre und eine wachsende Liebe zur frankophilen Lebens- und Genussweise führten unweigerlich dazu, sich auch mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen.
Essen wie Gott in Frankreich
So heißt es ja gemeinhin. Und die Auster als luxuriöse Delikatesse von Frankreichs Küsten trägt dazu wohl nicht unerheblich bei. Wobei die Auster in den Küstenorten nicht als luxuriös sondern als alltägliches Lebensmittel gilt. Das kann man auch an den Preisen auf den örtlichen Märkten erkennen, wo man ein Kilo schon mal direkt vom Produzenten für 8 bis 9 Euro bekommt. Meine Gillardeau-Austern kosten in Deutschland zwischen vier und fünf Euro pro Stück – bei im Mittel 75 g Gewicht pro Stück ein Kilopreis von stolzen 60 Euro. Nun ja. Jedenfalls und trotzdem gehören Austern mittlerweile fest zum Repertoire von Vogels Küche.
Gillardeau
Der Name Gillardeau bezeichnet nicht eine Gattung oder Art, er ist eine Marke. Seit Ende des 19. Jahrhunderts züchtet die Familie Gillardeau in Bourcefranc-le-Chapus im Südwesten Frankreichs Austern von besonders hoher Qualität.
Der Ursprung dieser Austern liegt damit in der Nähe von La Rochelle an der französischen Atlantikküste. Wer Krimis mag, wird Freude an Jean-Claude Vinets „Tod in La Rochelle“ finden. Commissaire Chevalier hat in eine Familie von Austernzüchtern eingeheiratet und der Genuss dieser Delikatesse ist im Buch allgegenwärtig.
Sie dürfen die Bezeichnung Spécial de Claires tragen, weil sie mindestens zwei Monate veredelt werden, indem frisches Meerwasser das Innere der Austern reinigt, nachdem sie drei Jahre in tiefem und nährstoffreichem Wasser verbracht haben. Dieser Aufwand schlägt sich im Preis nieder. Die Gillardeau-Auster ist recht groß (vollfleischig) und zeichnet sich durch einen ausgewogenen Geschmack aus: Mineralität und Süße in guter Balance bestimmen das Aroma, der ausgeprägte Jod-Geschmack vieler Austern ist hier nicht zu finden (was mir persönlich sehr entgegenkommt).
Pur oder Vinaigrette?
Puristen genießen die Auster – zumal solch hochwertige – am liebsten naturell auf Eis (noch lieber pur direkt am Hafen), allenfalls ein Spritzer Zitrone und ein paar Krümel frisch gemahlener Pfeffer werden geduldet. So dogmatisch müssen wir nicht sein. Gerade für Einsteiger wird eine Auster mit einer kleinen Marinade zu einem viel zugänglicheren Genuss. Nur bitte keine einfache Essig-Schalotten-Mischung, diese vernichtet den frischen Meeresgeschmack der Auster komplett. Was bleibt ist der Nachgeschmack einer billigen Salatsauce. Schade um das wertvolle Lebensmittel.
Ganz anders diese feine Vinaigrette mit dezenter Säure und vielen frischen Kräuternoten. Sie begleitet das frische Meeresaroma der herrlichen Gillardeaus perfekt. Ganz wichtig ist es aber, das in der Auster enthaltene Meerwasser nicht wegzugießen – es ist Bestandteil des Genusses! Die Idee dafür entstammt dem wunderbaren Buch von Tim Raue „Rezepte aus der Brasserie Colette“ (deren Besuch z. B. in Berlin sich im Übrigen unbedingt lohnt!). In Ermangelung einiger der hierfür erforderlichen Zutaten und in einem Anfall von Kreativität habe ich versucht, den Grundgedanken beizubehalten und mit teils abweichenden Zutaten umzusetzen. Das Ergebnis überzeugt auf Anhieb und ist es wert, hier veröffentlicht zu werden.
Zutaten:
- frische Gillardeau-Austern (oder natürlich andere Sorten nach Verfügbarkeit oder persönlichen Vorlieben)
- einige Stängel Koriander (ja, die Stiele werden benötigt, nicht die Blätter)
- einige Stängel Petersilie (dito)
- ein wenig ganz frischer Bio-Ingwer
- eine Bio-Limette (Saft einer halben Frucht und etwas Schale werden benötigt)
- 1 TL Agaven-Dicksaft
- eine Prise Salz
- Crushed Ice zum Anrichten
Zubereitung:
1 ⏐ Vinaigrette vorbereiten: Vom Koriander einige zarte Stengel auswählen, am besten den Teil direkt unterhalb der Blätter, dickere Stielenden abschneiden. Bei der Petersilie genau so verfahren, auch hier harte und dicke Teile des Stengels abschneiden. Das Verhältnis von Koriander- zu Petersilienstielen ist etwa 3:1. Beides nun mit einem sehr scharfen Messer so fein wie möglich schneiden. Die Schärfe des Messers ist entscheidend beim Schneiden der feinen Stengel! Ein stumpfes Messer quetscht diese anstatt zu schneiden und der Zellsaft tritt aus, bevor er sein Aroma an die Vinaigrette abgeben kann. Vom Ingwer ein Ende abschälen und ein bis zwei sehr dünne Scheiben abschneiden; diese ebenfalls möglichst fein hacken. Saft einer halben Limette mit einem TL Agaven-Dicksaft und einer ganz kleinen Prise Salz verrühren. Limettenabrieb, Ingwer und gehackte Kräuterstiele unterrühren. Diese Menge sollte für vier bis sechs Austern reichen.
2 ⏐ Während die Vinaigrette kurz durchzieht, können nun die Austern geöffnet werden. Dazu braucht es unbedingt ein vernünftiges Austernmesser. Ungeübte sollten dringend einen Schutz für die zweite Hand verwenden: ein Kettenhandschuh für die Küche ist die professionelle Lösung, manche Austernmesser bringen einen Silikonhalter für die Auster im Set mit, notfalls tut es ein mehrfach gefaltetes Küchenhandtuch. Das Messer wird an der dicken Seite der Auster (flache Seite nach oben halten) angesetzt. Nun versucht man in diesem Bereich Zugang über die Naht zwischen oberer und unterer Hälfte zu finden. Geduld, man muss mehrfach ansetzen und den richtigen Winkel und Punkt zum Hebeln finden. Vorsichtig den Deckel aufhebeln und diesen im Anschluss rundherum mit dem Messer von der unteren Hälfte trennen. Vor dem endgültigen Abheben die am Deckel festsitzende Auster vorsichtig ablösen. Beim ganzen Prozess die Auster stets gerade halten und unbedingt darauf achten, dass möglichst wenig des guten eingeschlossenen Meerwassers verloren geht! Ist die Auster erst einmal geöffnet, wird mit dem Messer noch der unten sitzende Muskel durchtrennt. Dazu vorsichtig mit dem Messer unter die Auster fahren und den Widerstand überwinden. Fertig. Vor dem Anrichten kontrolliert bitte, ob eventuell kleine Schalen- oder Schmutzpartikel in die Auster gefallen sind und entfernt diese z. B. mit einem Pinsel.
3 ⏐ Anrichten: Die geöffnete Auster wird auf einem Bett aus zerstoßenem Eis angerichtet. Die Vinaigrette nochmals kurz durchrühren und separat servieren, sodass jeder selbst bestimmen kann, wie viel er verwendet. Sofort und eiskalt verzehren. Was jetzt folgt, ist der pure Meeresgenuss…
Übrigens: Auf den meist unvermeidlichen Champagner zur Auster kann man getrost verzichten. Wir wählen stattdessen einen soliden Crémant (gerne der oberen Preisklasse) zur französischen Auster. Der liegt preislich gut und gerne bei einem Drittel eines durchschnittlichen Schampus. Die Differenz investieren wir lieber in weitere leckere Austern…